Wettbewerb im bestehenden Arbeitsverhältnis

Wer als Arbeitnehmer auf einen Zusatzverdienst angewiesen ist, darf selbstverständlich eine weitere Erwerbstätigkeit aufnehmen, neben einem bestehenden Arbeitsverhältnis, nur muss dies außerhalb der Arbeitszeit erfolgen, also je nach Dienstplan entweder davor oder danach, auch an Wochenenden darf die Nebentätigkeit ausgeübt werden.

So etwas ist insbesondere dann kein Problem, wenn es keine Überschneidungen mit der Haupttätigkeit gibt, etwa weil es sich um verschiedene Branchen handelt.

Kritisch wird es, sobald die Tätigkeiten miteinander konkurrieren, und das ist leider häufig der Fall, weil sich die eigenen Fachkenntnisse und beruflichen Erfahrungen in der Regel nur innerhalb derselben Branche angemessen verwerten lassen. Solche Nebentätigkeiten können gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßen.

1) Gesetzliches Wettbewerbsverbot

Das Verbot einer Nebentätigkeit kann sich bereits aus dem eigenen Arbeitsvertrag ergeben. Ob ein solches vertragliches Verbot tatsächlich wirksam ist oder womöglich zu weit geht, lässt sich nur im Einzelfall bestimmen, abhängig vom genauen Wortlaut der Verbotsklausel und der Art der angestrebten Nebentätigkeit.

An dieser Stelle soll es nur um das gesetzliche Wettbewerbsverbot gehen, das sich in § 60 HGB (Handelsgesetzbuch) findet. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1897, es verwendet Begriffe wie "Handelsgehilfe" und "Prinzipal", heute würde man das mit "kaufmännischer Angestellter" und "Arbeitgeber" übersetzen.

§ 60 HGB enthält zwei Verbote: ohne Einwilligung des Arbeitgebers darf weder ein Handelsgewerbe betrieben, noch im "Handelszweige des Prinzipals" ein Geschäft auf eigene oder fremde Rechnung gemacht werden. Zusammengefasst und vereinfacht ausgedrückt: Verboten ist alles, was die Interessen des Arbeitgebers gefährden könnte, die "rote Linie" ist sein Geschäftsbereich, der Marktbereich, in dem er tätig ist. Es kommt nicht darauf an, ob er konkret beeinträchtigt wird, die abstrakte Gefahr reicht aus.

Arbeitsgerichte sind in diesem Punkt streng: wer als Arbeitnehmer argumentiert, er nehme seinem Arbeitgeber überhaupt nichts weg, es gebe keine Überschneidungen, die eigenen Kunden seien nicht die des Arbeitgebers, findet oft kein Gehör: "Der Arbeitnehmer darf auch dann keine Konkurrenzgeschäfte tätigen, wenn sicher ist, dass der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder die betreffenden Kunden nicht erreichen wird" (Bundesarbeitsgericht, 16.01.2013, 10 AZR 560/11).

Das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 HGB erwähnt nur den "Handlungsgehilfen", also den kaufmännischen Angestellten, es ist aber als Grundsatz zu verstehen, das Verbot erfasst auch technische Angestellte, Arbeiter in Handwerk und Produktion, Leiharbeitnehmer - und angestellte Freiberufler wie Ärzte usw.

2) "Strohmänner" helfen nicht weiter

Wer sich bereits bewusst ist, dem Arbeitgeber ins Gehege zu kommen, wird häufig kreativ: er betreibt das konkurrierende Gewerbe im Namen eines Dritten ("Strohmann"), oder er beteiligt sich als persönlich haftender Gesellschafter an einer Personengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft (KG) oder offenen Handelsgesellschaft (OHG).

Ebenfalls beliebt sind Beteiligungen, die nach außen nicht sogleich sichtbar werden, wie Kapitalbeteiligungen als "stiller Gesellschafter" oder Beteiligungen an einer GmbH.

Einige schlüpfen einfach bei der Konkurrenz unter: sie vereinbaren mit dem Wettbewerber des eigenen Arbeitgebers kurzerhand ein weiteres Arbeitsverhältnis, oder sie bieten ihm ihre Kenntnisse und Kontakte in Form von Einzelaufträgen an, oder im Rahmen eines Beratervertrages mit fester Vergütung.

All das ändert nichts, denn nicht die Rechtsform ist entscheidend, sondern dass die konkurrenzierende Tätigkeit die Interessen des Arbeitgebers gefährden könnte.

3) Ausnahmsweise "berechtigtes Interesse"

Wenn eine mögliche Beeinträchtigung des Arbeitgebers der entscheidende Maßstab ist, die "rote Linie", die kein Arbeitnehmer überschreiten darf, dann liegt es auf der Hand, dass nicht alle Nebentätigkeiten verboten sein können, selbst wenn sie in derselben oder in einer sehr ähnlichen Branche stattfinden.

Arbeitsgerichte sprechen von einem "berechtigten Interesse" des Arbeitnehmers, seine spezifischen Fähigkeiten und Erfahrungen auch anderen Arbeitgebern anzubieten, solange die Interessen des eigenen Arbeitgebers - des "Prinzipals" - nicht ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt sein können:

Beispiele sind die Reinigungskraft mit mehreren Putzstellen in der Gastronomie, der Zeitschriftenverteiler, der für mehrere Verlage tätig ist, der Buchhalter eines Kfz-Herstellers, der Buchhaltungstätigkeiten für Kfz-Werkstätten anbietet, oder der Kantinenkellner, der am Wochenende in einem Ausflugslokal arbeitet.

Für die Zulässigkeit solcher Zweit- und Drittjobs spricht vor allem, dass sie häufig von Teilzeitkräften ausgeübt werden, vor allem von Geringverdienern, die zur Existenzsicherung auf mehrere Arbeitsstellen angewiesen sind. Allerdings darf das Argument nicht als Freibrief verstanden werden: wer als Kfz-Mechaniker oder Friseur sein Gehalt aufbessern will, indem er sein Geschick in der Freizeit als "Nachbarschaftshilfe" anbietet, muss zuvor das Einverständnis des Arbeitgebers einholen.

4) Erlaubte Vorbereitungshandlungen

Ein Arbeitsverhältnis ist keine Ehe, es wird nicht auf Lebenszeit geschlossen, und keinem Arbeitnehmer ist es verwehrt, sich auf die Zeit danach vorzubereiten; aus diesem Grund kann er im Kündigungsfall während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses bezahlte "Freizeit zur Stellungssuche" verlangen (§ 629 BGB).

Wer beabsichtigt, in Zukunft eine konkurrierende Tätigkeit auszuüben, erneut als Arbeitnehmer oder als Selbständiger, darf dafür schon erste Vorbereitungen treffen: er darf sich z. B. bei Wettbewerbern des bisherigen Arbeitgebers vorstellen, einen neuen Arbeitsvertrag schließen, oder bei geplanter Selbständigkeit behördliche Genehmigungen beantragen, eine eigene Gesellschaft (GbR, GmbH) gründen, eine Internet-Domain registrieren, Geschäftsräume anmieten, Personal einstellen usw.

Dabei darf er sich durchaus das Wissen zunutze machen, das er bei seinem Arbeitgeber erworben hat, und seine Planung daran ausrichten.

Was er nicht darf: einem neuen Arbeitgeber verdeckte "Aufbauhilfe" leisten, indem er diesem während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses sein Wissen und seine Kontakte zu Kunden des bisherigen Arbeitgebers zur Verfügung stellt - jedenfalls nicht, wenn beide Arbeitgeber im Wettbewerb stehen.

Ob ein Existenzgründer bereits Inserate veröffentlichen und die eigene Domain freischalten darf, ist umstritten: einige sehen darin verbotenen Wettbewerb, andere finden es legitim: so lasse sich die Übergangsphase abkürzen, in der er es kein Arbeitsentgelt mehr gebe, und noch keine Einkünfte aus Selbständigkeit.

Verboten ist dem Existenzgründer in jedem Fall das aktive Eindringen in den Kreis der Kunden und Lieferanten des bisherigen Arbeitgebers: auch wenn es als höflich gilt, sich von allen zu verabschieden, dürfen z. B. Abschiedsbriefe oder E-Mails nicht zur Abwerbung von Kunden benutzt werden. Auch das Abwerben von Arbeitskollegen ist untersagt, hier kann der bisherige Arbeitgeber mit einer fristlosen Kündigung, einer einstweiligen Verfügung oder einer Schadensersatzklage kontern.

5) Nicht "gelebtes" Arbeitsverhältnis

Das gesetzliche Wettbewerbsverbot besteht während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Seine tatsächliche Durchführung ist nicht erforderlich, es ist daher auch von dem zu beachten, der einen Arbeitsvertrag geschlossen hatte, seine Tätigkeit dann aber nicht zum vereinbarten Termin aufnahm.

Gleiches gilt für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis weiterbesteht, aber ruht, also z. B. während der Elternzeit, beim Wehrdienst oder bei unbezahltem Urlaub.

Kündigt der Arbeitgeber, und stellt er den Arbeitnehmer zugleich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei, darf ein Arbeitnehmer bei unwiderruflicher Freistellung regelmäßig davon ausgehen, seine Arbeitskraft frei verwerten zu dürfen. Nimmt der Arbeitgeber die Freistellung unter Anrechnung etwaigen Zwischenverdienstes vor, soll der Arbeitnehmer sogar berechtigt sein, konkurrierend tätig werden zu dürfen (Bundesarbeitsgericht, 06.09.2006, 5 AZR 703/05).

Besteht ein Arbeitgeber auf der Einhaltung des Konkurrenzverbotes, sollte er das schon in der Freistellungserklärung klar zum Ausdruck bringen.

6) Kündigungsschutzprozess

Wer als Arbeitnehmer eine Kündigung nicht angreift, etwa indem er die dreiwöchige Klagefrist (§ 4 KSchG) verstreichen lässt, ist auf der sicheren Seite: sobald das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet ist, kann er Wettbewerb betreiben, sofern mit dem bisherigen Arbeitgeber kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde.

Schwierig wird es, wenn er Kündigungsschutzklage erhebt, weil dann womöglich erst nach geraumer Zeit feststeht, ob sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet wurde.

In einigen besonders schnelllebigen Branchen (Informationstechnik, E-Commerce, Biotech usw.) lassen sich die eigenen beruflichen Kenntnisse nur von dem erfolgreich verwerten, der nicht zu lange aus dem Spiel ist; außerdem kann nicht jeder einen längeren Kündigungsschutzprozess ohne laufende Einnahmen überstehen.

Mit der Aufnahme einer Tätigkeit setzt man sich jedoch der Gefahr einer (weiteren) außerordentlichen Kündigung aus, die auf die Verletzung des Wettbewerbsverbots gestützt wird.

Nicht zu arbeiten, während des laufenden Kündigungsschutzprozesses, hilft einem Arbeitnehmer aber ebenfalls nicht, weil ihm - bei erfolgreicher Kündigungsschutzklage - die vom Arbeitgeber nachzuzahlende Vergütung gekürzt wird: er habe es "böswillig" unterlassen, anderweitigen Zwischenverdienst zu erzielen (§ 615 BGB, § 11 KSchG).

Das Bundesarbeitsgericht versucht diesen Konflikt mit einer auf den Einzelfall abstellenden mehrstufigen Interessenabwägung zu lösen (23.10.2014, 2 AZR 644/13):

Das Unterlassen einer wettbewerblichen Tätigkeit ist nicht böswillig, es sei denn, der Arbeitgeber ist mit der konkurrierenden Tätigkeit einverstanden oder sie ist ihm gleichgültig.

Auf die Verletzung des Wettbewerbsverbots kann eine außerordentliche Kündigung nur bei Verschulden des Arbeitnehmers gestützt werden - es sei in der Regel nicht gegeben, wenn mit der konkurrierenden Tätigkeit nur eine Übergangslösung für die Zeit des Rechtsstreits angestrebt werde.

Rechtsanwalt Lars Finke, LL.M., Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mülheimer Str. 85, 47058 Duisburg (Stadtteil Duissern)